JanSchmidt » 04 май 2013, 20:29
Schlichtungssache: Gebina B., geb. am 30.11.1989
Aktenzeichen: 155/10
Verlauf des station?ren Aufenthaltes nach Aktenlage:
Frau Gebina B., geb. am 30.11.1989 wurde am 24.10.2010 mit seit einer Woche bestehenden rezidivierenden Oberbauchschmerzen nach den Mahlzeiten, mehrfachem Erbrechen und Durchf?llen in die Ammerland-Klinik eingewiesen. Laut vorliegendem Aufnahmebefund (Anamnese) waren bei der Patientin seit ca. einem halben Jahr Gallensteine mit wiederholten Gallenkoliken bzw. Entz?ndungen bekannt.
Zum Aufnahmezeitpunkt bestand weder klinisch noch laborchemisch ein Anhalt f?r einen Galleaufstau durch Steinverschluss der ableitenden Gallenwege (Cholestase).
Zur weiteren Diagnostik erfolgte am 25.10.2010 eine Spiegelung der Speiser?hre, des Magens und des Zw?lffingerdarms (?sophago-Gastro-Duodenoskopie), bei der eine diskrete Entz?ndung der Magenschleimhaut diagnostiziert und ein Magengeschw?rsleiden ausgeschlossen werden konnte.
Bei normwertigen Laborparametern (kein Gallenstau), per Ultraschall nachgewiesenen Gallensteinen und entsprechender Symptomatik erfolgte am 27.10.2010 die laparoskopische Entfernung der Gallenblase (laparoskopische Cholecystektomie).
Die Operation war aufgrund des adip?sen Ern?hrungsstatus der Patientin erschwert. Intraoperativ zeigte sich – nach vorliegendem Operationsbericht – eine stark entz?ndlich ver?nderte Gallenblase mit Wandverdickung und Verwachsungen zu den Nachbarorganen. Das Freipr?parieren und der sichere Verschluss des Ausf?hrungsganges der Gallenblase (D. cysticus) sowie der sichere Verschluss der zuf?hrenden Arterie waren laut Operationsbericht aufgrund des entz?ndlich ver?nderten Gewebes deutlich erschwert. Da der Operateur unsicher war, den Ausf?hrungsgang der Gallenblase (D. Cysticus) mit einem Verschlussclip sicher verschlossen zu haben, wurde zus?tzlich eine Drainage in das Bett der Gallenblase eingelegt.
In der bereits 13 Stunden postoperativ durchgef?hrten laborchemischen Kontrolle fielen massiv erh?hte Cholestaseparameter als Ausdruck einer Galleabflussst?rung auf (Bilirubin Gesamt 6,0 mg/dl (Referenzwert: 0,3-1,2 mg/dl) und direktes Bilirubin 4,7 mg/dl (Referenzwert: 0,0-0,2)). Entsprechend wurde sofort eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes durchgef?hrt. Hier konnte ein erweiterter Hauptgallengang (D. choledochus) von 14 mm ( Normwert bis zu 0,7 mm) und geringgradig gestaute Gallenwege innerhalb der Leber nachgewiesen werden.
Aufgrund des vorliegenden Ultraschallbefundes wurde noch am selben Tag eine ERCP (Spiegelung der Gallenwege) durchgef?hrt. Hierbei konnte laut vorliegenden ERCP-Bericht
„eine Einschn?rung an der Einm?ndung des D. hepaticus (Teil des Hauptgallenganges) gesehen werden“.
Da die Einschn?rungen zu einer inkompletten Verlegung des Hauptgallenganges gef?hrt hatte, fanden sich die dar?ber liegenden Abschnitte des Gallenganges (Ductus hepaticus communis) sowie die intrahepatischen Gallenwege deutlich gestaut.
Es wurde ein 6 cm lange, im Durchmesser 7Charr. messende Endoprothese eingelegt, ohne die operativ verursachte Einengung des Hauptgallenganges ?berwinden zu k?nnen. Entsprechend dem vorliegenden endoskopischen Befund erfolgte umgehend die operative Revision am 28.10.2010 um 20:00 Uhr.
Es wurde ein Rippenbogenrandschnitt gew?hlt, der aufgrund der adip?sen Verh?ltnisse zur besseren ?bersicht kopfw?rts in Richtung Brustbein erweitert werden musste. Nach vorliegendem Operationsbericht konnte nur unter erschwerter Pr?paration der Hauptgallengang (D. choledochus) dargestellt werden. Es fand sich tangential auf dem Hauptgallengang (D. choledochus), und diesen subtotal einengend ein Metallclip, der problemlos entfernt werden konnte. Anschlie?end wurde der Hauptgallengang (D. choledochus) er?ffnet und eine T-Drainage zum Zwecke der Ableitung der Gallenfl?ssigkeit nach au?en und zur Schienung des Gallenganges eingelegt. Und ?ber eine gesonderte Hautincision ausgeleitet. Mittels Bildwandler wurde der ungehinderte Abfluss des Kontrastmittels ?ber die eingelegte T-Drainage in das Duodenum ?berpr?ft und dokumentiert.
Postoperativ waren die Cholestaseparameter, insbesondere die Werte f?r den Gallenfarbstoff (Bilirubin) r?ckl?ufig, so dass nach unauff?lliger postoperativer radiologischer T-Drainagendarstellung zur erneuten ?berpr?fung des Gallenabflusses in das Duodenum diese am 06.11.2010 entfernt werden konnte. Auch bei dieser R?ntgendarstellung kam, wie auch intraoperativ, die eingelegte Endoprothese nicht zur Darstellung. Am 09.11.2010 konnte die Patientin beschwerdefrei aus der station?ren Behandlung entlassen werden.
Beantwortung der gutachterlichen Fragen im Einzelnen:
Wurde bei der patientenseits beanstandeten Behandlung gegen seinerseits geltende Standards versto?en, also fehlerhaft gehandelt?
Insbesondere:
1.1 Wurde der Eingriff am 27.10.2010 in der Ammerland-Klinik nach den Regeln der ?rztlichen Heilkunde durchgef?hrt?
Die Indikation zur laparoskopischen Cholecystektomie bei symptomatischer Cholecystolithiasis und bei sonographischem Nachweis von Gallensteinen ist sach- und fachgerecht gestellt worden.
Zudem wurde differentialdiagnostisch noch ein Geschw?rsleiden des Magens mittels pr?operativer Spiegelung der Speiser?hre, des Magens und des Zw?lffingerdarms ausgeschlossen. Der laparoskopische Eingriff war zum einen aufgrund der adip?sen Verh?ltnisse der Patientin und zum anderen durch starke Verwachsungen bei chronisch entz?ndlich ver?nderter Gallenblase erschwert, so dass der intraoperative subtotale Verschluss des Hauptgallenganges als schicksalhaft anzusehen ist. Nach Schriftungsangaben liegt das Risiko f?r derartige partielle oder vollst?ndige Verschl?sse des Hauptgallenganges bis hin zur kompletten Durchtrennung der extrahepatischen Gallenwege zwischen 0,3 und 0,6 % (1,2).
1.2 Ist die postoperative Nachsorge inkl. der chirurgischen Re-Intervention zu beanstanden?
Die postoperative Nachsorge erfolgte regelrecht. Es wurde fr?hzeitig (13 Std. postoperativ) eine laborchemische Kontrolle durchgef?hrt. Bei postoperativ erh?htem Gesamtbilirubinwert von 6,0 mg/dl (Normwert 0,3 bis 1,2 mg/dl) und einem indirekten Bilirubin von 4,0 mg/dl (Normwert 0,0 bis 0,02 mg/dl) - was f?r eine Gallengangseinengung spricht- wurde zeitgerecht eine Spiegelung der extrahepatischen Gallenwege (ERCP) durchgef?hrt und ein 6 cm lange, 7Charr. im Durchmesser messende Endoprothese bis zum nachgewiesenen inkompletten Verschluss des Hauptgallenganges (D. choledochus) eingelegt. Der diagnostizierte subtotale Verschluss des Hauptgallenganges (D. choledochus) war die eindeutige Indikation zur sofortigen operativen Revision.
Die Versorgung via offener Laparotomie und offener Revision des Hauptgallenganges mit anschlie?ender Einlage einer Galleableitung und Schienung des Gallenganges mittels T-Drainage ist ebenfalls sach- und fachgerecht durchgef?hrt worden (3,4).
1.3 Spricht das ?bersehen des endolumin?ren Interponats (Stent) im Choledochus f?r einen Behandlungsfehler?
Die Versorgung via offener Laparotomie Gallengangsrevision, Einlage einer T-Drainage und anschlie?ender Choledochusnaht stellt keinen Behandlungsfehler dar.
Das ?bersehen/Belassen der pr?operativ endoskopisch eingelegten Gallengangsprothese (Stent) ist jedoch als fehlerhaft zu werten, da die Stenteinlage bekannt sein musste und eindeutig dem Befund des endoskopierenden Gastroenterologen vom 28.10.2010 zu entnehmen war.
Auch wenn der Stent nach Einlage der T-Drainage in der intraoperativen R?ntgenkontrolle nicht eindeutig zu identifizieren war, h?tte in Kenntnis des endoskopischen Befundes der D. choledochus vor Einlage der T-Drainage, im Zweifel durch eine Spiegelung des Gallenganges (Choledochoskopie) eingestellt und ?berpr?ft werden m?ssen. Zudem h?tte zumindest in dem Entlassungsbrief erw?hnt werden m?ssen, dass pr?operativ ein Stent in den D. choledochus eingelegt worden war, der intraoperativ radiologisch nicht mehr nachweisbar war.
Um zu ?berpr?fen, ob der pr?operativ eingelegte Stent via naturalis abgegangen war, oder sich noch im Hauptgallengang befand, h?tte zumindest ein Termin zur Kontroll-ERCP, dann ggf. mit Stent- Entfernung kurzfristig vereinbart werden m?ssen. Laut Literaturangaben wird eine Entfernung bzw. ein Wechsel derartiger endolumin?rer Prothesen sp?testens nach Ablauf von 2 bis 4 Monaten empfohlen (5).
H?tte der Fehler bei sorgf?ltigem Vorgehen in der damaligen Situation vermieden werden k?nnen?
Ja. Der Fehler h?tte vermieden werden k?nnen bei sorgf?ltiger Sichtung des ERCP-Befundes.
2.1 Welche gesundheitlichen Beeintr?chtigungen, ggf. auch Zeitdauer w?ren erfahrungsgem?? bei richtigem ?rztlichen Handeln ohnehin eingetreten?
Die Beschwerden der Patientin sind nach Aktenlage Anfang Januar 2011, also knapp 3 Monate nach Einlage des Stents aufgetreten. Das bedeutet, dass der Stent den von der Literatur angegebenen Zeitraum, in dem ein Wechsel stattfinden sollte, zwar noch nicht ?berschritten hatte, w?re der Stent allerdings zeitgerecht intraoperativ, sp?testens fr?h-postoperativ entfernt worden, w?re es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Entwicklung einer Entz?ndung der Gallenwege (Cholangitis) gekommen.
2.2 Welche gesundheitlichen Beeintr?chtigungen, ggf. auch Zeitdauer sind zus?tzlich allein fehlerbedingt eingetreten?
Als fehlerbedingt ist die durch den im Hauptgallengang liegenden Fremdk?rper (Stent) entstandene Entz?ndung (Cholangitis), sowie der Krankenhausaufenthalt inklusive Therapie vom 11.01.2011 bis zum 14.01.2011 im Valley Hospital in Ridgewood, New York, USA zu werten.
С уважением, Ян "Гамбургский"...